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Chancen der Mehrsprachigkeit erkennen und nutzen
Gütersloh, 13.04.2018. Mehrsprachigkeit wird heute in Deutschland als gesellschaftliche Realität anerkannt. In der Praxis gibt es dennoch unterschiedliche Auffassungen wie mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit umzugehen ist.
Diese Herausforderung beleuchtete die erste Veranstaltung der 'Begegnungsreihe Migrantenorganisationen 2018' mit dem Ziel die sprachliche Vielfalt als Potenzial zu erkennen und zu fördern. Die Auftaktveranstaltung stieß auf großes Interesse: Silke Niermann, Leiterin der Stadtbibliothek Gütersloh, konnte zahlreiche Gäste im vollbesetzten Konferenzraum der Bibliothek begrüßen.
Ihre Einblicke aus der Praxis der Mehr- beziehungsweise Zweisprachigkeit schilderte zu Beginn der Veranstaltung Nesrin Sayar, Vorsitzende des Vereins LiteraTürkçe. Sie gründete diesen vor fünf Jahren mit dem Ziel Lesen und den Austausch über Literatur zu fördern. Einmal im Monat treffen sich Interessierte in der Stadtbibliothek Gütersloh. "Ich habe diesen Ort ausgewählt, weil er für alle Menschen offen steht. Immerhin ist das Motto der Bibliothek 'Die ganze Welt in einem Haus'. Das passt wunderbar", sagt Sayar. Gelesen und diskutiert werden türkische Bücher, die die Leserunde im Vorfeld gemeinsam auswählt. Dabei gibt es eine bunte Mischung aus klassischer und zeitgenössischer Literatur. Seit knapp einem Jahr gibt es einen türkischen Lesezirkel auch für Kinder.
Gabriele Deventer-Karp vom Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Gütersloh erläuterte anschließend in ihrem Impulsvortrag die aktuellen Erkenntnisse der Sprach- und Neurowissenschaft zum Schwerpunktthema Mehrsprachigkeit. Noch vor einigen Jahren herrschte die Meinung vor, dass auch zuhause Deutsch gesprochen werden sollte und nicht die Muttersprache, um Kinder und Jugendliche bestmöglich zu integrieren. Das hat sich gewandelt. "Heute geht man davon aus, dass es besser ist, eine Sprache richtig gut zu können", sagt Deventer-Karp. Dann falle auch der Erwerb einer weiteren Sprache deutlich leichter. Denn im schlechtesten Fall können die Migranten weder ihre Muttersprache noch Deutsch richtig sprechen und schreiben.
Nach den kurzen Impulsen diskutierten die rund 30 Teilnehmer lebhaft mit den Referentinnen und untereinander. Viele haben persönliche Erfahrungen in Bereich Mehrsprachigkeit oder arbeiten in der Sprachvermittlung.
Die Auftaktveranstaltung der Begegnungsreihe plante das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Gütersloh in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der Migrantenorganisationen Kreis Gütersloh und dem Verein LiteraTürkçe. Weitere Veranstaltungen werden in Kooperation mit anderen Migrantenvereinen vorbereitet.
Idee und Ziel der Veranstaltungsreihe ist, dass sich Migrantenorganisationen aus dem Kreises Gütersloh mit einem thematischen Schwerpunkt der Öffentlichkeit vorstellen und ihre Angebote sowie Aktivitäten bekannt machen. Dadurch sollen die Menschen, die im Kreis Gütersloh leben, angeregt werden die Vereinsarbeit der Zuwanderer kennenzulernen. Die Vernetzung der Akteure und der Multiplikatoren im Vereinsleben ist eine weitere Zielsetzung. Eine gegenseitige interkulturelle Öffnung wird angestrebt.
Das Netzwerk der Migrantenorganisationen im Kreis Gütersloh will zur gleichberechtigten Teilhabe der Menschen mit Migrationsgeschichte beitragen und fördert insgesamt das Zusammenleben und die Integration. Dieses trifft sich zwei Mal im Jahr, um sich auszutauschen. Im Jahr 2017 wurde die Qualifizierungsreihe 'Starkes Netzwerk - starke Vereine' in Zusammenarbeit mit dem BürgerKolleg der Bürgerstiftung Gütersloh zu den Themen Steuerrecht und Buchführung, Fundraising und Förderprogramme sowie Vereinsrecht angeboten.
Zum Thema: Migrantenorganisationen im Kreis Gütersloh
Die Migrantenorganisationen haben eine lange Tradition im Kreis Gütersloh, rund 80 zählt das Kommunale Integrationszentrum. Historisch machten die Portugiesen und die Griechen den Anfang im Jahr 1971. Der 'Deutsch-Türkische Hilfe- und Kulturverein e. V.' wurde 1973 gegründet.
Die zahlenmäßig größte Gruppe ist heute die der polnischen Zugewanderten. Im Kreis Gütersloh wohnten Ende 2016 insgesamt 7.882 Polen. Migranten aus Osteuropa sind traditionell in Ostwestfalen stark verwurzelt. So haben im Jahr 2017 Bürger polnischer Herkunft die jüngste Migrantenorganisation mit dem Namen 'Deutsch-Polnische Gesellschaft e. V.' in Gütersloh gegründet.
Menschen vieler Kulturen und Herkunftsländer sind im Kreisgebiet vertreten und in der Namensgebung der verschiedenen Vereine erkennbar: Von A wie 'Afghanischer Kulturverein Kreis Gütersloh e. V.' bis Z wie 'Zentralverband der Assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Europäischen Sektionen e. V.'. Die Bevölkerungsgruppe türkischer Herkunft hat die meisten Migrantenvereine vorzuweisen. Die Türken stehen statistisch an zweiter Position mit 6.642 Personen. Die Rumänen, die mit 4.795 Personen den dritten Platz einnehmen, haben eine geringe Organisationsstruktur.
"Die Migrantenvereine verfügen über viele Potenziale und Ressourcen. In ihren Räumlichkeiten finden Begegnungen statt. Viele engagieren sich im Gemeinwesen und nehmen an verschiedenen Integrationsprojekten teil", erläutert Nelson Rodrigues. Durch ihre Aktivitäten werde das Zusammenleben der Kulturen gefördert. Auf der Basis von Selbsthilfe, Gemeinschaft und Heimatpflege seien diese in der Lage, ein Gefühl der Sicherheit, des Ankommens und der Gruppenzugehörigkeit zu vermitteln.
Für mehr Informationen:
Nelson Rodrigues
Kommunales Integrationszentrum Kreis Gütersloh
Herzebrocker Straße 140,
33334 Gütersloh
Telefon 05241-851543