Arbeitsintegration von Neuzuwanderern: Spezialisten mit Sprachkenntnissen kümmern sich

Gütersloh, 23.07.2018. Allein bis Ende Mai dieses Jahres hat das Jobcenter es geschafft, 285 Jobsuchende mit Fluchthintergrund in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Im vergangenen Jahr waren es 467, bis Ende 2018 dürfte die Zahl bei 650 liegen. Das kommt nicht von ungefähr.

Gruppenbild nach Beiratssitzung
Das Leitungsteam des Jobcenters und der Vorsitzende des Beirats (v.l.): Rolf Erdseik (Abteilungsleiter Arbeit und Ausbildung Jobcenter), Björn Haller (Abteilungsleiter Steuerund Jobcenter), Burkhard Marcinkowski (Geschäftsführer Unternehmerverband für den Kreis Gütersloh), Fred Kupczyk (Dezernent Jobcenter) und Thomas Wellhäuser (Abteilungsleiter Arbeit Jobcenter). Nicht im Bild ist Stefan Susat (Abteilungsleiter Materielle Hilfen Jobcenter).

Das Jobcenter hat sich in einem Modellprojekt speziell auf den  2015 gestarteten Flüchtlingsstrom vorbereitet. Offenbar mit Erfolg. Die Strukturen sind nachhaltig verändert worden. Rolf Erdsiek, Abteilungsleiter Arbeit und Ausbildung, stellte den Abschluss des Projekts jetzt im Beirat des Jobcenters vor.

Wobei Abschluss suggeriert, man würde das Projekt jetzt einstellen. Die meisten Strukturen, die geschaffen worden sind, werden auch künftig bestehen bleiben. Lediglich die über Fördermittel zusätzlich beschäftigten Unternehmenscoaches und Integrationsfachkräfte sind nicht mehr an Bord. Die waren ein Baustein von dreien. Baustein 1: "Wir haben an allen drei großen Standorten spezielle Teams geschaffen, die sich ausschließlich um diejenigen kümmern, die einen Migrationshintergrund haben", erläuterte Erdsiek. "Nicht nur Übersetzer wurden eingestellt, sondern auch Arbeitsberater, die arabisch sprechen und die einen eigenen Fallbestand haben." Man habe im Grunde zu Beginn nichts anderes gemacht, als die Kandidaten einzuladen und zu schauen, was mit ihnen los ist. Wie ist der Integrationskursus beziehungsweise Sprachkursus verlaufen, wie steht es mit Abschlüssen in Schule und Beruf? Erdsiek: "Die, die förderfähig sind, wollen wir qualifizieren, um etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun." Bei denjenigen, bei denen das keine Aussicht auf Erfolg hat, gilt es sie möglichst schnell in Arbeit zu integrieren, auch wenn sich das auf Helfertätigkeiten beschränkt. "Man darf nicht vergessen, dass viele lediglich vier, fünf Jahre zur Schule gegangen sind und über keinen schulischen oder beruflichen Abschluss verfügen." Entsprechend schwer tun sich viele im Integrationskursus. Das Ziel 'Sprachniveau B1' schaffen lediglich 60 Prozent.

Baustein Nummer 2 bestand unter anderem in einem neu entwickelten Coaching der Kandidaten, einer engeren Begleitung. "Wir wollen passgenaue Förderangebote anbieten und haben schon während des Integrationskurses Plätze für 240 Bewerber gehabt", erklärte Erdsiek. Ein bis zwei Mal hatte der Coach Kontakt zu den Bewerbern, es ging um eine soziale Flankierung, eine Begleitung, Stabilisierung. Auffällig: "Wenn zusätzlich Ehrenamtliche im Spiel waren, waren die Kandidaten durchweg besser informiert, besser orientiert, was den Arbeitsmarkt angeht und besser beim Erlernen der deutschen Sprache", lobte der Abteilungsleiter das Engagement.

Neu war vor zwei Jahren der finanziell vom Land NRW und dem Europäischen Sozialfonds geförderte Einsatz von zusätzlichen Unternehmensscouts und Integrationsbegleitern. Ihr Einsatz ist mit Ende der Förderung im Mai dieses Jahres ausgelaufen. Die Coaches sind auf Unternehmen zugegangen und haben gefragt, was braucht ihr eigentlich? Sie sollten das Pferd von der anderen Seite aufzäumen. Der Part habe insgesamt nicht so gut funktioniert, räumte Erdsiek ein. "Wir wollten ganze Gruppen unternehmensnah qualifizieren, beispielsweise fürs Pflastern, ohne dass da gleich Garten- und Landschaftsbauer draus werden müssen." Die Unternehmen hätten jedoch lieber den Kandidaten selbst alles beigebracht, die Kandidaten hingegen dachten häufig ans schnelle Geld verdienen.

Gut funktioniert hat die enge Begleitung. Erdsiek: "Häufig muss man erst mal erklären, wie unser Arbeitsmarkt funktioniert. In Syrien funktioniert vieles zum Beispiel im Handwerk nach dem Prinzip learning by doing. Der Onkel zeigt Dir, wie das geht und dann kannst Du das." Bei Schnuppertagen konnten verschiedene Berufe ausprobiert oder Betriebe kennengelernt werden, bei Bewerbertagen präsentierten sich Kandidaten mit ihren Fähigkeiten. 

Fazit: "Es geht was am Arbeitsmarkt, wir haben Stellen, die wir gar nicht besetzen können." Bleibt das Problem mit der Qualifizierung: "Der Flüchtling, den wir qualifizieren wollen, legt uns mitunter einen Arbeitsvertrag vor, bevor wir ihn soweit haben." Der ist häufig bei einem Zeitarbeitsunternehmen unterzeichnet. Betriebswirtschaftlich sei das kurzfristig nicht schlecht, aber den Fachkräftemangel könne man so nicht beheben. Unterm Strich machen die neu Zugewanderten inzwischen einen erheblichen Teil der Arbeit aus, stellen bei der Vermittlung in Arbeit eine der größten Gruppen.

 

Zum Thema: Jobcenter und Migration

Inzwischen haben 44 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen ausländischen Pass. Rund die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge - vor allem aus Syrien und dem Irak. Die Syrer stellen mit 1870 inzwischen die größte Herkunftsnation, gefolgt von den Irakern mit 835, den Türken mit 832 und Polen mit 347 Personen. Wer beispielsweise aus Syrien nach Deutschland flüchtet, wird zunächst - nach der Verteilung auf die Kommunen - von eben diesen versorgt. Sie kümmern sich um Unterkunft, Verpflegung etc.  Sobald sie einen offiziellen Flüchtlingsstatus haben, also subsidären Schutz genießen oder erfolgreich einen Asylantrag gestellt haben, ist das Jobcenter zuständig.